Die DDR in der Retrospektive: Erinnerungen eines ehemaligen Lautawerker Pfarrers (Michael Peter Schadow)

Es ist wieder einmal Parteitag in der DDR, irgendwann in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre. Auf der Klement-Gottwald-Allee in Berlin-Weißensee, auch »Protokollstrecke« genannt, rollen schwere Volvo-Fahrzeuge auf dem Weg von Wandlitz nach Berlin. Die Bewohner der Protokollstrecke kennen diesen Anblick nur zu gut: Am Rande der Straße patrouillieren Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und die Fassaden der Häuser sind frisch gestrichen – allerdings nur bis zur ersten Etage. Denn bis dahin reicht der Blick der SED-Funktionäre und ausländischen Staatsgäste, die in ihren Volvos vorbeirollen. Selbst das in der DDR übliche Schlange-Stehen vor den Geschäften ist bei derartigem Verkehrsgeschehen verboten.

            Unweit der Protokollstrecke befindet sich die Stephanus-Stiftung, eine diakonische Einrichtung der evangelischen Kirche, die sich um alte, kranke und behinderte Menschen kümmert. Seit 1979 ist Pastor Werner Braune (geb. 1936) Leiter dieser Einrichtung. Braune ist damit bis auf den heutigen Tag ein prominenter Kirchenmann. Was allerdings nur Wenige wissen: Von 1963 bis 1970 war Werner Braune Pfarrer in Lautawerk. Über sein Leben und seine Erfahrungen in der DDR hat er, inzwischen im Ruhestand, ein 2009 im Wichern-Verlag (Berlin) erschienenes Buch geschrieben. Es trägt den bezeichnenden Titel »Abseits der Protokollstrecke«.

Das Buch besitzt zwei Ebenen. Während die erste Ebene an der Biografie Werner Braunes orientiert ist, geht die zweite Ebene in die historische Tiefe: Hier geht es um das Verhältnis von SED-Staat und evangelischer Kirche bzw. Diakonie und nicht zuletzt um die Frage nach dem Charakter des selbsternannten »Arbeiter- und Bauernstaates«.

Plakat zur Lesung von Werner Braune am 8. April 2017

Weiterlesen

Die Gartenstadtsiedlung Lauta-Nord – Teil 2 (Kathleen Häußer-Beciri)

Im ersten Teil meines Artikels ging es bereits um die Entstehung und die Hintergründe der Gartenstadtbewegung. Weiterhin stellte ich die Gartenstadtsiedlung Lauta-Nord vor und es wurden die gestalterischen und baulichen Besonderheiten dieser Siedlung angesprochen. Hierbei ging es besonders um die Architektur der Wohngebäude. Natürlich sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es in Lauta-Nord neben den Wohngebäuden auch mehrere öffentliche Gebäude und Geschäftshäuser gibt bzw. gab.

Weiterlesen

Historisches Fundstück: Predigt zur Einweihung der evangelischen Kirche Lautawerk, gelesen am vierten Advent 1924

Am vierten Advent 1924 wurde die evangelische Kirche in Lautawerk geweiht. Pfarrer Friedrich Müller (1889-1942) hielt zu diesem Anlass seine erste Predigt im neuen Gotteshaus.
Da dem Kirchenarchiv Lauta-Dorf nur eine (aus papiertechnischen Gründen) nicht leicht zu lesende Kopie vorliegt, diese Predigt aber wichtig ist, nicht nur als Einweihungspredigt, sondern aufgrund ihrer Aussagen, wurde sie für diesen Beitrag übertragen.

»Soll so unsere Kirche der Ort sein, da Gottes Ehre wohnt, dann wird sie unsere Gemeinde nicht nur räumlich in ihren Mauern vereinigen, sondern ihr ein Wahrzeichen innerster Zusammengehörigkeit werden.«

Das da von Anfang war,
das wir gehöret haben,
das wir gesehen haben mit unseren Augen,
das wir beschauet haben
und unsere Hände betastet haben
vom Wort des Lebens.
und das Leben ist erschienen
und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen
euch das Leben,
welches war bei dem Vater,
und ist uns erschienen:
Was wir gesehen und gehöret haben,
das verkündigen wir euch,
auf dass auch ihr mit uns Gemeinschaft habt;
und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater
und mit seinem Sohn Jesu Christo.
Und solches schreiben wir euch, auf dass eure Freude völlig sei!
(1.Joh. 1-4)

Weiterlesen

Fritz Müller – erster Pfarrer der evangelischen Kirche in Lauta (Dr. Gabriele Schluttig)

Das Jahr 1917. In diesem Jahr begann die VAW (Vereinigte Aluminiumwerke AG) mit dem Aufbau eines Aluminium- und Kraftwerkes an einem Standort in der Lausitz, der den Namen „Lautawerk“ erhielt. Hier, mitten im Wald, sollte das größte europäische Aluminiumwerk entstehen, das, kriegsbedingt, die gesamte Herstellung vom Rohstoff Bauxit bis zum Reinmetall Aluminium als Ersatz für Kupfer leisten sollte.
Dazu wurden deutschlandweit Arbeitskräfte angeworben und neben dem Bau der Werksanlagen wurde es erforderlich, Unterbringungsmöglichkeiten für die Angestellten und Arbeiter zu schaffen. Dies bedeutete jedoch auch, den Bewohnern hinsichtlich ihrer Versorgung, ihrer schulischen und auch konfessionellen Bedürfnisse entgegenzukommen.

Am 21.5.1919 wurde Friedrich Müller als evangelischer Hilfsprediger nach Lautawerk entsandt.

Hermann Friedrich Wilhelm Müller wurde am 11.3.1889 in Berlin geboren. Bereits als Kind, nach einer lebensgefährlichen Erkrankung, fasste er den Entschluss, Pfarrer zu werden. Sein Studium der Evangelischen Theologie wurde durch den 1. Weltkrieg, an dem er als Heeressoldat teilnehmen musste, unterbrochen. Er schloss sein Predigerseminar in Naumburg am Queis (Ortschaft im heutigen Polen) ab und trat seine erste Pfarrstelle in Lautawerk an.

portrait-fritz-mueller

Was erwartete ihn hier?

Weiterlesen