Fragmente eines Lebens: die autobiografischen Erinnerungsbücher des Uwe Mahrholz – Teil 2 (Joachim Kappler)

In den vergangenen Tagen erreichte mich eine Buchbesprechung zum zweiten Werk des Uwe Mahrholz, das unter dem Titel Pachakuti – Zeitenwende ebenfalls beim epubli-Verlag erschienen ist. Joachim Kappler (Jahrgang 1948) hat als Gastautor folgenden Text zur Verfügung gestellt. Ihm sei an dieser Stelle ausdrücklich für seine Arbeit gedankt!

Mancher beginnt ein neues Buch auf den letzten Seiten zu lesen, um zu sehen, ob es „gut ausgeht“. Davon möchte ich in diesem Fall dringend abraten (obwohl es gut ausgeht), denn wenn mit Schmutz geworfen wird, bleibt immer etwas hängen, nicht nur am Werfer, sondern auch am Getroffenen, vielleicht sogar am Leser selbst.

Aber nun der Reihe nach. Uwe Mahrholz hat mit dem zweiten Teil seiner Autobiografie ein umfangreiches und sehr detailliertes Werk geschaffen, in dem viel Fleiß steckt (361 Seiten). Ich habe es mit großem Interesse und einer gewissen Spannung gelesen habe, bin ich doch ungefähr im gleichen Alter und in der gleichen Gegend zu Hause. Er ist in Lauta (NL) aufgewachsen und dann die 8 km nach Hosena (OL) gezogen, bei mir war es genau umgekehrt. Unsere Wege und Lebensläufe haben sich gekreuzt, ohne das wir uns trafen – und das in mehrfacher Bedeutung. Sogar in der Schule hatten wir das gleiche Lieblingsfach: Chemie.

In dieser Selbstdarstellung schildert Uwe Mahrholz (geb. 1949) die Jahre von1966 bis ca. 2010, in denen Deutschland, insbesondere im Osten, einen gewaltigen Umbruch erlebte. Man könnte also in dem Buch drei Teile erwarten: Vor 1989, dann die Wendezeit und schließlich die Zeit danach. 

Vom Umfang her überwiegt jedoch sein Leben in der DDR. Ausführlich erzählt er von seiner familiären Herkunft, von der Heirat und den Kindern. Für jeden Historiker dürfte die Schilderung der Wohnverhältnisse, seines beruflichen Werdeganges und der Zustände in den Volkseigenen Betrieben eine Fundgrube sein. Andererseits könnten die vielen Einzelheiten einen Außenstehenden und Jüngeren etwas langweilen. Er scheut sich auch nicht, die beim Klarnamen zu nennen, die ihm auf seinem Lebensweg begegnet sind. Ob das jedem und jeder gefallen wird?

Wie war es in der DDR? Gut oder schlecht? Nicht schlecht, z. B. die Zeit als junges Studentenehepaar in Ostberlin bezeichnet er trotz der sehr bescheidenen äußeren Umstände als beste Zeit. Man wusste sich immer zu helfen, auch ohne Akkuschrauber und ohne Handy. Da hat er manche kurzweilige Begebenheit zu berichten.

Wie war es um seinen ideologischen „Klassenstandpunkt“ bestellt? Auch da beschreibt er ohne Scheu die Zweigleisigkeit unseres Lebens damals. Im Betrieb war er der mehr oder weniger vorbildliche SED-Genosse, aber nach Feierabend wurde an der Westantenne gebastelt, um den „Klassenfeind“ ohne Schnee empfangen zu können. Breiten Raum nimmt auch die Beschreibung seiner 18monatigen Armeezeit als Tankwart bei den Luftstreitkräften ein, die er souverän gemeistert hat. Auch da wären wir uns fast begegnet.

Wenn später dann die „gesellschaftliche Arbeit“ zu lästig werden drohte, trat er die Flucht nach vorn an: Offiziersschule, Parteischule. Aber wohl alles ohne innere Überzeugung, mit zunehmendem Zweifel am „System“. Wie konnte er und wir alle damals dieses gespaltene Bewusstsein aushalten? Die Frage zieht sich wohl durch alle Biografien dieser Zeit.

Eine andere Frage, die Gretchenfrage: „Wie hältst du es mit der Religion?“ hat er schon in früher Jugend abschlägig entschieden. Schuld waren die anderen, das wenig vorbildliche Bodenpersonal. Aber wer kann das beurteilen? Auch spätere Bekehrungsversuche durch einen „Zeugen“, einen Bausoldaten, weist er ab. (Dazu habe ich zu korrigieren, dass Bausoldaten auch nur 18 Monate dienen brauchten, aus eigener Erfahrung als ein solcher.)

Der politische Umbruch 1989/90 hat ihn nicht so kalt erwischt, wie viele seiner Genossen. Weil sein Beruf als Chemieingenieur auf Grund der Zustände in den verschiedenen Betrieben ihn immer weniger befriedigte, hatte er schon kurz vor der Wende die Gelegenheit für den Wechsel in die Selbstständigkeit als Versicherungsvertreter ergriffen. Was in der DDR ziemlich fragwürdig erschien, war unter den neuen Verhältnissen die richtige Entscheidung und entsprach offensichtlich auch seinem Talent. Vor allem gelang es ihm, die Avancen der westlichen „Partner“ auf Abstand zu halten und seine Unabhängigkeit zu waren. So konnte er – mit seiner Frau – bald ein recht erfolgreiches Unternehmen zur Vermittlung von Versicherungen aufbauen. Auch das beschreibt er in diesen Memoiren recht ausführlich mit konkreten Namen und Orten.

Mancher Leser – besonders „von drüben“ – erwartet vielleicht eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema „Stasi“. Das bleibt relativ kurz, was verschiedene Gründe haben kann. Ich vermute, für uns als „normale“ DDR-Bürger stand das damals gar nicht so im Mittelpunkt des Tageslaufes. Jeder – oder fast jeder – wusste, mit wem er worüber sprechen konnte. Deshalb hat Herr Mahrholz das auch nur gestreift.

Alles in allem eine sehr ausführliche Selbstbeschreibung eines erfolgreichen Lebens. Sein Weg führte ihn aus sehr bescheidenen Verhältnissen in den gehobenen Mittelstand und das in schwierigen Zeiten. Das Buch atmet deutliche „Ostalgie“. Wer erinnert sonst noch an Pawel Kortschagin? Verständlich, war es doch unsere Jugendzeit.

Ein Vorbild? Das wird die Zukunft mit der nächsten Zeitenwende zeigen.

Ich hatte bis zum Schluss auf eine Erklärung des für mich neuen Begriffes „Pachakuti“ gewartet, vergeblich. So musste ich doch Google bemühen. Hoffentlich bleibt uns das Schicksal der Inkas erspart.

Nun habe ich hoffentlich nicht sein Leben kritisiert, sondern ich wollte eigentlich nur seine beachtenswerte Autobiografie vorstellen, die eine wohlwollende Einordnung verdient.

Joachim Kappler (Jahrg. 1948) lebt jetzt als Rentner mit seiner Frau in Ruhland.

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