Straßennamen von Lauta Mitte – Teil 4 (Dr. Gabriele Schluttig)

Im Jahre 1920 legte der Architekt Clemens Simon einen Entwurf für den II. Ausbau und die Erweiterung Lautawerks mit dem Titel „SIEDLUNG LAUTAWERK OB.-LAUSITZ. ALTER TEIL – A.B.C.D V. PROJEKTERWEITERUNG“ vor (24. Oktober 1920, Entwurfsbüro, gezeichnet: Simon).

Die Bauzeichnung endet am westlichen Rand mit der Weststraße.

Die Bebauung des Gebietes westlich und südlich davon ist erfolgte größtenteils erst ab 1933. In den Archiven findet man 8 Straßen unter der Bezeichnung „Lauta Mitte“.

Diese Ortsbezeichnung „Lauta Mitte“ ist heute nicht mehr gebräuchlich – man unterscheidet nur noch „Lauta Nord“ und „Lauta Süd“.

Einige der kleineren Straßen in Lauta Mitte haben ihre Bezeichnung erst nach 1933 behalten. Die Durchgangsstraßen allerdings, die Straße nach Senftenberg und auch die das Werk begrenzenden Straßen, die heutige „Friedrich-Engels-Straße“ und die heutige „Mittelstraße“ waren bereits vor 1933 bekannt und auch entsprechend benannt.

Berliner Straße

Während der Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 hieß diese Straße „Braunauer Straße“.

Der Ort Braunau in Oberösterreich ist die Geburtsstadt von Adolf Hitler. Viele Orte in Deutschland benannten in dieser Zeit eine Straße mit diesem Namen. Braunau selbst verlieh Hitler die Ehrenbürgerwürde. Diese wurde ihm postum wieder aberkannt, allerdings erst im Jahr 2011. Heute steht auf dem Gehsteig vor dem Geburtshaus Hitlers ein Mahnstein gegen Krieg und Faschismus.

Im Juli 1945 erhielt die Straße einen neutralen und richtungsweisenden Namen „Berliner Straße“.

Friedrich-Engels-Straße

Diese Straße begrenzte den südlichen Rand des Werksgeländes und war bereits zur Zeit des Aufbaus des Aluminiumwerkes notwendig geworden. Sie erhielt zunächst den Namen „Karl-Freter-Straße“.

Karl Freter (23.5.1878 – nach 1947) war ein deutscher SPD-Politiker. Er lebte in Großräschen und war Mitglied des Kreistages Calau. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er verhaftet und es erfolgte eine Umbenennung der Straße in „Schlageterstraße“.

Albert Leo Schlageter (12.8.1894 – 26.5.1923). Er war Mitglied der NSDAP. Während der französisch-belgischen Ruhrbesetzung agierte er als militanter Aktivist. Er wurde von einem französischen Militärgericht wegen Spionage und mehreren Sprengstoffanschläge zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die Zeit des Nationalsozialismus ehrte ihn durch die Errichtung von Denkmälern und die Benennung von Straßen mit seinem Namen.

Lautawerk – Ansichtskarte (Foto; Archiv Dr. Gabriele Schluttig)

Seit Juli 1945 heißt diese Straße „Friedrich-Engels-Straße“.

Friedrich Engels (28.11.1820 – 5.8.1895). Er entwickelte gemeinsam mit Karl Marx die heute als Marxismus bezeichnete Gesellschaftstheorie. Gemeinsam veröffentlichten sie das weltweit bekannte „Manifest der Kommunistischen Partei“.

 

Lautawerk – Ecke Friedrich-Engels-Straße und Mittelstraße (Foto; Archiv Dr. Gabriele Schluttig)

Das Gebäude an der Ecke Friedrich-Engelsstraße/ Mittelstraße (heutige Namen), in dem sich eine Buchhandlung befand, wurde in den 90-iger Jahren abgerissen. Heute befindet sich an dieser Stelle eine NETTO-Filiale.

Kufsteiner Weg und Passauer Straße

Diese beiden Straßen sind erst nach 1933 entstanden. Ihre Namensgebung folgte eventuell dem Wunsch der damaligen Stadtväter, noch weitere Straßen nach der Heimat Hitlers zu benennen.

Kufstein ist eine Stadt in Tirol und Passau eine Stadt in Ostbayern, direkt an der Grenze zu Österreich.

Da beide Benennungen jedoch neutral sind, auch wenn sie keine direkte Beziehung zu Lauta haben, wurden sie nach 1945 nicht umbenannt.

Mittelstraße

Bereits vor 1933 hatte diese Straße den Namen „Mittelstraße“. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde sie umbenannt in „Straße der SA“.

Kurzbezeichnung SA – es war die Sturmabteilung der NSDAP, eine paramilitärische Ordnertruppe dieser Partei.

Im Jahr 1940 wurden an der Ecke Schlageterstraße (heute Friedrich-Engels-Straße) und „Straße der SA“ Nr. 36 (heute Mittelstraße Nr. 36) zwei Gebäude eingeweiht, die als volkspflegerische Einrichtungen dienten. In eines der beiden Gebäude zieht ein Kindergarten ein, der damals als „Musterkindergarten“ bezeichnet wurde und heute noch besteht. Weitere soziale Einrichtungen waren die Hilfsstelle „Mutter und Kind“, eine Schwesternstation, eine Beratungsstelle und eine Tuberkulose-Fürsorgestelle des Staatlichen Gesundheitsamtes.

Bürgermeister Nerlich bei der Übergabe der Gebäude an die „NS-Frauenschaft“ (Foto; Kalender Kreis Calau 1941)

 

Die Bezeichnung der Straße zwischen 1945 und 1948 ist nicht bekannt. Ab 1948 hieß die Straße „Ernst-Thälmann-Straße“.

Ernst Johannes Fritz Thälmann (16.4.1886 – 18.8.1944) war Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die er auch im Reichstag vertrat. Nach dem Reichstagsbrand 1933 wurde er verhaftet und 1944 im Konzentrationslager Buchenwald ermordet.

Im Jahre 1992 erfolgte eine Rückbenennung in „Mittelstraße“.

 

Querstraße

Es ist eine kleine „Quer“straße zwischen der „Mittelstraße“ (heutiger Name) und der „Senftenberger Straße“. Wann sie angelegt wurde und ob sie zu diesem Zeitpunkt eine Straßenbezeichnung hatte, ist nicht bekannt. Heute heißt sie einfach „Querstraße“.

 

Senftenberger Straße

Vermutlich gab es die „Senftenberger Straße“ als Verbindungsstraße zwischen Lauta und Senftenberg schon länger, aber eine Namensgebung innerhalb der Ortschaft Lautawerk kann erst ab 1945 belegt werden.

Aber die Straße war wichtig für die Bevölkerung.

Im Jahr 1922 wurde hier die Gaststätte „Waldklause“ eröffnet. Sie hatte einen Saal für Kulturveranstaltungen und einen Kino-Vorführraum. Diese Gaststätte entwickelte sich zu einem kulturellen Zentrum von Lautawerk. In den Jahren 1929/1930 erfolgten weitere Anbauten. Im Jahre 1995 erfolgte der Abriss. Heute steht an dieser Stelle eine Lidl-Filiale.

Lautawerk – Waldklause auf dem heutigen Lidl-Gelände (Foto; Archiv Dr. Gabriele Schluttig)

 

Konzertsaal der Waldklause um 1923 (Foto; Archiv Dr. Gabriele Schluttig)

 

Ein Jahr später, 1923, eröffnet der Bäcker Otto Schöne gegenüber der Waldklause das „Café Schöne“. Vor allem durch seine in der Architektur eines Vergnügungsdampfers gestaltete Terrasse und durch die angeschlossene Rennbahn wurde es zu einer Attraktion, nicht nur für die Lautawerker.

Lautawerk – Café Schöne in den 1920er Jahren (Foto; Archiv Dr. Gabriele Schluttig)

 

Lautawerk – Café Schöne 2 (Foto; Archiv Dr. Gabriele Schluttig)

 

Zilleplatz

Wie der „Kufsteiner Weg“ und die „Passauer Straße“ erhielt in Lauta Mitte eine weitere Straße nach 1933 einen Namen nach der Heimat Hitlers, der „Linzer Platz“.

Linz ist eine Stadt in Oberösterreich und heute ein Zentrum der Alpenrepublik Österreich.

Dieser Platz wurde im Juli 1945 umbenannt in „Zilleplatz“. Welche Überlegungen die damaligen Stadtväter dazu hatten, ist leider nicht belegt. Möglicherweise spielte dabei auch sein naher Geburtsort (Radeburg bei Dresden) eine Rolle.

Heinrich Rudolf Zille (10.1.1858 – 9.8.1929) war ein deutscher Grafiker, Maler und Fotograf. Er ist vor allem bekannt für seine sozialkritischen Themen aus dem Berliner „Milljöh“.

Die Reihe wird fortgesetzt mit weiteren Teilen zu den „Straßennamen von Lauta Süd“.

 

Dr. Gabriele Schluttig

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s